Interview „Das Teil“

3.Kapitel: 1998 – Das Chaosjahr

Auf vielen Festivals des letzten Sommers sorgten In Extremo durch ihr Auftreten, durch das Verbinden von mittelalterlichen Klängen mit Metal und durch ihre Trinkfreudigkeit für Furore. Das mittelalterliche Flair, das z.B. schon durch Subway To Sally und die Merlons auf Open Airs oder in die Konzertsäle einzog, wurde durch die Berliner noch weiter fortgeführt. Etwas bodenständiger erschienen die harten Klänge von In Extremo. Damals, im letzten Jahr, irgendwann im Juni spielten In Extremo auch beim „Rock an der Schnauder-Festival“ in Meuselwitz. Etwas stolz sind wir noch immer, dass wir festivalmäßig die Ersten waren, die euch im „Das Teil“ – Einzugsgebiet diese Band präsentieren konnten. Lange, eigentlich fast schon zu lange hat es gedauert, bis wir endlich dazu kamen, ein Interview mit dem Letzten Einhorn (Sänger der Band, auch Micha genannt) und seinen Mitstreitern zu führen.
In Extremo – das Interview. Wir sprachen über die zwei Projekte der Band (auf den Mittelaltermärkten und als Rockband), über die Frage von Trends und über alte Bekannte – Aber lest selbst…

Das Teil: In Extremo gibt´s seit 2 bis 3 Jahren. Wie ist es eigentlich zur Gründung gekommen?
Micha: Die Rockband gibt es seit April ´93. Wir haben jahrelang zusammen bei Noah gespielt. Das war dieselbe Besetzung. Irgendwann haben wir ´ne Kassette mit Songs aufgenommen und In Extremo gegründet. Es gibt zwei Varianten, einmal die Mittelaltersache und einmal die Rockband. Wir waren ein Jahr lang auf Mittelaltermärkten. Dann ging es los, da haben wir ein paar Lieder aufgenommen und das erste Konzert gegeben.
Das Teil: Aber den Mittelaltermärkten bleibt ihr weiter treu, oder?
Micha: Das auf den Mittelaltermärkten machen wir weiter. Es ist für uns auch ´ne repräsentative Geschichte, die vielleicht nicht unbedingt den Stellenwert hat, den die Rockband hat. Aber da kommt man an Veranstaltungen ran und Geschichten, die für uns durchaus interessant sind. Zum Beispiel Burgfeste, Adlige, einfache Leute mit Rang und Namen oder so, wo wichtig ist, das dass man präsent ist, dass man gesehen wird und so. Und es macht auch Spaß. Und irgendwie holt dich diese Variante der Musik auch wieder auf den Boden der Realität zurück. Mit der Rockformation – da stehst du oben und da geht der Braten ab vor der Bühne. Beim Mittelaltermarkt stehst du da oben und musst was mit dem machen, was du da an einem Stück Holz in den Händen hast. Und das  ist ganz interessant, eine gute Mischung.
Dr. Pymonte: Außerdem ist das der Ursprung von der Musik, die wir eigentlich machen, von daher hat es für uns auf jeden Fall Bedeutung. Wenn wir das akustisch machen, denke ich auch dass es schwer ist, einfache Leute mit akustischer Musik zu begeistern. Und die toben ganz genauso wie bei den Rockkonzerten.
Micha: Also es ist dieselbe Besetzung. Wir sind vier Mann gewesen, jetzt kommen noch zwei Rockkollegen von uns dazu, weil sich bei denen langsam der soziale Abstieg abzeichnet, irgendwie. Ist ja wichtig, dass man die Kollegen ein bisschen unter die Fittiche nimmt. Es macht auch mehr Spaß, wenn du zu sechst spielst. Zu sechst hast du mehr Laune und schmeckt das Bier besser.
Dr. Pymonte: Die vier Mittelalterleute haben natürlich einen relativ starken Bezug zum Mittelalter. Rock- und Mittelalterband sind halt immer getrennt und dadurch, dass nun alle mitmachen, kriegen alle auch ein bisschen mehr Bezug zum Mittelalter, zu den Ursprüngen. Das ist uns tierisch wichtig.
Micha: Das ist ein total interessanter Aspekt, wenn man die Kollegen auf die Mittelaltermärkte mitschleppt. Ich meine, wenn man beim Rockkonzert betrunken ist, das fällt nicht so auf. Aber auf den Märkten ist es schon gut, wenn man sich zu mäßigen lernt, ein bisschen.
Das Teil: Was macht euch eigentlich mehr Spaß, die Sache auf den Märkten oder die Rockshows?
Micha: Beides. Das kannst du nicht über einen Kamm scheren. Rockshow ist einfach geil, aber die Märkte haben manchmal auch was. Also, wenn du da ein Punktspiel abziehst und merkst, dass sich die Hausfrau völlig für so etwas begeistert… (…)
Dr. Pymonte: Es ist auch nicht nur die Musik. Du bist ja vielseitig. Wir sind eigentlich Gaukler, von Feuer, Akrobatik bis zum Stockkampf…
Micha: …auch sehr viel Schwatzen, die Leute vollseiern. Du spielst in so ´nem Set (…) 40 Minuten. Davon schwatzt du bestimmt 20 Minuten nur dummes, wirres Zeugs. Das fesselt die Leute eigentlich, sie sehen, da stehen irgendwie bizarre, groteske Typen, die irgendwas ausstrahlen. Das ist was, dass sie in ihrem Alltag nicht haben, darauf fahren sie ab.
Das Teil: Ihr habt schon eine CD rausgebracht. Kommt dieses Jahr was Neues, geht ihr eventuell zu ´nem großen Label?
Micha: Eine Mittelalterscheibe ist gerade in Arbeit, richtig akustisch, die wird so im April, Mai da sein, dann ist Saisonbeginn. Und wahrscheinlich gehen wir im Februar ins Studio und nehmen ´nen richtigen Longplayer auf, vielleicht mit Plattenvertrag. Ansonsten machen wir es selber. Es wird auf jeden Fall was erscheinen.
Das Teil: Im letzten Jahr ward ihr auf ´ner ganzen Menge Open Airs, sicher auch in diesem Jahr. Ihr macht Musik, die gerade in Ostdeutschland in den letzten Jahren sehr zum Trend geworden ist.
Pymonte: Dazu muss man vielleicht sagen, dass wir schließlich schon seit 8 Jahren Mittelaltermusik machen. (…) Da ist einfach die Entwicklung dieser Schiene interessant, pures Mittelalter oder Rockmusik. Da ist der Osten für mich eindeutig Vorreiter. Was da an folkloristischer Schiene abgezogen wurde war ein völlig anderes Ding (…) Im Westen waren halt irgendwelche Leute, die sich ´ne Filzkappe aufgesetzt haben, mit ´ner bunten Feder und gesagt haben „Wir sind jetzt Baron sowieso!“, ´ne Laute um den Hals mit ´ner bunten Schleife dran … und das war dann Mittelalter für die.  Also, wie ich das verfolgt habe – wir sind ja in Ostdeutschland groß geworden – da waren einfach richtig durchgeknallte Typen, die gesagt haben, wir machen Mittelalter. Die haben sich auch richtig von der Pike auf damit befasst (…) die sind halt teilweise wirklich besoffen rumgerannt, richtig mit blutunterlaufenen Augen, das war einfach authentisch, wie das auf den Märkten ablief. Und genauso Trend finde ich, was jetzt in der Rockmusik passiert. Da ist der Osten für mich ein bisschen der Favorit. Und man kann auch sagen, dass sich das eine oder andere gleicht, letztendlich stand alles in denselben Startlöchern. Jeder kennt jeden von diesen ganzen Bands, Subway To Sally und wie sie alle heißen. Das waren ja alles Leute aus dem Osten, die irgendwie mit dieser Szene zu tun hatten. (…)
Das Teil: Habt ihr nicht trotzdem Angst, wenn man sich die ganze Entwicklung ansieht – das ging mit den Inchtabokatables los, Subway To Sally, bis hin zu den Merlons oder jetzt auch Tanzwut – dass die Gefahr besteht, dass die Leute sagen „Schon wieder so ´ne Band“, dass dieser Trend ausufern könnte und die Leute irgendwann die Nase voll haben von dieser Art Musik?
Micha: Das kann dir bei jeder Musikrichtung passieren. (…) Es gibt Leute, die wirklich Ahnung haben von dem, was sie repräsentieren. (…) Und das ist eindeutig für den Zuschauer/ Hörer nachvollziehbar. (…) Man hört schon bei den Bands (…) wer eigentlich bodenständig ist, wer da richtig Ahnung hat und wer sich damit befasst hat. Deshalb glaube ich eigentlich nicht, dass es eine Übersättigung gibt. (…) Musik muss aus dem Bauch kommen und nicht aus dem Arschloch.
Das Teil: Zum Thema Tanzwut. Du hast ja früher zusammen mit dem Teufel Musik gemacht. Er ist dann gegangen. Versteht ihr euch noch?
Micha: Na klar, wir haben vorige Woche erst wieder zusammen Kaffee getrunken. Wir kennen uns logischerweise sehr gut. Ich hab viele Jahre mit ihm zusammengespielt, das kann man nicht einfach wegstecken. Und da gibt´s auch keinen Knatsch. Die machen ihr Ding. Wir haben alle dieselben Kinderschuhe angehabt, der Teufel genauso wie ich. (…) Aber wir wissen eigentlich wenig voneinander, weil es zwei völlig separate Projekte sind. (…) Es wird viel verglichen, aber das ist auch eine Sache der Ursprünglichkeit (…).Wir haben einfach viele Jahre zusammen Musik gemacht und da weißt du genau, wie seine Scheiße riecht, wie er Musik macht, wie er denkt, wie er die Weiber fickt. (…) Und du weißt genau, wenn du irgendwo Musik hörst, da könnte der und der dahinter stecken, mit dem du schon mal Musik gemacht hast. (…)
Das Teil: Dezember ´98. Auf was möchtet ihr Ende des Jahres zurückblicken?
Micha: Wir wollen auf alle Fälle den Finger ziehen. Aber was passieren wird weiß ich nicht – wir sind guter Hoffnung.
Dr. Pymonte: Wir wollen, dass die Band so zusammen bleibt wie sie ist. Wir verstehen uns alle, was natürlich auch mit diversen Feierlichkeiten zu tun hat. Ich glaube, dass noch viel Potential frei ist, wir lernen einfach voneinander…
(Indianer/ Das Teil, Heft 2/1998)

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