Hört von den fünf Musikanten, die ihren Bus beim Abschleppdienst fanden – von Tobias Schellin

4.Kapitel: 1999 – Und alles wird ganz anders!

Ja, ja, so hält das Schicksal doch immer wieder mehr oder weniger lustige Überraschungen für das fahrende Volk bereit. Dabei verschont es nicht einmal die Vorgruppe, wie wir (SUBSTYLE), eigentlich schon nach Abschluss der zweiten gemeinsamen Deutschland-Tournee mit In Extremo, erfahren durften.
Nach einem gebrochenem Fuß unseres Gitarristen Heiwi und diversen Viren und Bakterien, die uns nach dem Leben trachteten, war die obligatorische Polizeikontrolle auf österreichischem Boden kaum der Rede wert.
Nun gut, wir waren der eine oder andere zu viel im Wohnmobil, dafür waren aber auch alle wenigstens total unzurechnungsfähig. Wirklich alle? Nein, ein einsamer kleiner Geiger trotzte wild entschlossen allen promillehaltigen Versuchungen um seine Freunde und Kollegen sicher durch die Nacht Richtung Heimat zu fahren.
Zum Glück war ich dann auch so ziemlich der Einzige, der nach dem unfreiwilligen Stop nicht direkt an den mit Riesen-Mag-Lites bewaffneten Herren vorbeistürmte um neben den Polizeiwagen zu pinkeln. Vielleicht war es aber auch nur die Kälte, die die Cops eher unlustig wirken ließ, jedenfalls blieben alle, die zu viel waren, unbemerkt und nach einem kurzen, angewiderten Blick in unser Wohnklo mit Kochnische gaben wir den Kelch sozusagen an Carsten weiter, der in seiner Funktion als In Extremo-Busfahrer zehn Minuten nach uns das Vergnügen mit den beiden Gesetzeshütern hatte.
Nach Schneechaos und insgesamt 21 Stunden Rückfahrt endete für uns dann die zweite Tour mit In Extremo zugegebenermaßen ganz angenehm erst im Bett (in einem echten, jippie), doch vor der Rückgabe unseres Leihwohnmobils war es leider in Köln nicht mehr da, wo ich es am Abend zuvor geparkt hatte. Na ja, der Abschlepphof war nicht soooo weit weg…
Themawechsel: Ein ganz spezieller Dank an Manuela und Claudia vom In Extremo-Fanclub, die sich immer mehr zum SUBSTYLE-Fanclub mausern. Das ist sogar so nett, dass wir bei allen Gigs (fast) ein Gefühl wie Weihnachten hatten, weil man immer direkt in der ersten Reihe bekannte Gesichter sah, und bestimmte grobmotorische Gitarristen sogar schon Arztköfferchen und mehr geschenkt bekommen…
Apropos: Ist es nicht eine echte Leistung, sich vor dem ersten Song den Fuß zu brechen? Allein schon, weil man dann ja viel mehr Lieder qualvoll mit knirschenden Knochen durchziehen muss. Na ja, Heiwi hatte das wohl  nicht geplant, auch wenn es vom gerichtsmedizinischen Standpunkt aus mehr als grob fahrlässig und vor allem vorsätzlich war, denn immerhin kann man einen Whiskey nicht zur Verantwortung ziehen, auch wenn er einen männlichen Namen trägt. Auch wird gemunkelt, dass eine der  zahlreichen Stimmen, die Heiwi gelegentlich hört (zum Glück nur bei niedrigem Promillespiegel, also nicht so oft), ihn zwar noch nicht ins Verderben, aber immerhin in die Tübinger Notaufnahme bringen wollte. Hat ja geklappt.
Da sollte man es doch lieber wie unser Trommler Sebastian machen: Der fällt wenigstens immer nur so, dass anderer Leute Sachen zu Bruch gehen (Stühle, Spiegel, Wohnmobile). Oder wie Dr. Pymonte von Zeit zu Zeit: Nach der richtigen Dosis Vitamin C mit W(odka) fällt der nämlich meistens nirgendwo mehr hin, außer während des Soundchecks in Tiefschlaf oder während des Gigs in seine Sackpfeifenkiste (siehe Rostock). Zu schade, dass ich das nicht selbst gesehen habe, aber irgendwie lag ich zu diesem Zeitpunkt auch schon irgendwo. Wo denn noch mal? Egal!
Auch in Halle. Da bin ich doch unmittelbar nach dem Gig ganz komisch zu Fall gekommen und mitten in einen riesigen Pappkarton gekracht. Sofort kam ein Security-Mensch mit diesem typischen modischen Kurzhaarschnitt und diesem ebenso typischen Aufmischer-Lächeln auf mich zugestürmt. Mein Herz schlug ob der zu erwartenden Prügel schneller, meine Beine waren nicht mehr zum Aufstehen zu überreden. Ich fragte mich noch, wo ich wohl den ersten Schlag spüren würde, doch alles was kam, war: „Ey, Du da unten, geiler Gig, hähä…!“
Um noch von jedem ein Anekdötchen einzubringen, wäre an dieser Stelle wohl  nicht genug Platz. Der bandinternen Gerechtigkeit wegen möchte ich doch ausgleichend noch erwähnen, dass auch unser Goldkelchen Guido durchaus sein Trinkerexamen erfolgreich abgeschlossen hat, in Lindau sogar: „Summa Cum Laude“, aber das darf  ich jetzt noch nicht erläutern.
Mein spezieller Dank gilt Bassmann David, der mich nach Heiwis Unfall fast immer des Nachts vom Beifahrersitz aus wachgehalten hat. Und das unter Einsatz seiner Leber und seines Sprachvermögens. Okay, die Gespräche wurden immer unverständlicher, je mehr wir uns dem Zielort näherten, aber allein durch die Tatsache, dass wir alle halbe Stunde zum Pinkeln und/oder neues Bier holen halten mussten, hatte ich gar nicht erst die Chance, einzuschlafen. Nur Angst hatte ich, dass David irgendwann einmal ins Bett und ich danach von den Cops angehalten werden würde, denn das gesamte Leergut lag echt so genial, dass die Ausrede: „Das ist gar nicht mein Kram!“ einfach nur geklungen hätte wie: „Das ist gar nicht mein Kreuz, ehrlich…“
So, bleibt mir noch zu danken und zu grüßen, vor allem unseren künftigen Zweitgitarristen Basti (die Ablösesumme ist uns noch zu niedrig, wat nix kostet, is auch nix), Micha W., Frau Feuerstein (geb. Schemp), Boris, Marco, Kay, Reiner, Pymonte, Sängermichi, Tino, Puck, Bieber (Maschen drooot zaun), und last but not least Doro (große junggebliebene Dame des Rock´n´Roll).
Special Thanx an Grufti, der uns sozusagen zum Licht geführt hat, vor allem aber uns mit seiner Lichtshow so tiefgreifend beeindruckt hat, dass sich der eine oder andere Gitarrist vor Bewunderung gar nicht mehr auf den Beinen halten konnte… Außerdem besonderen Gruß von David, der Teddy hat einen Supersonderkuschelplatz! Toby und die Rasselbande
(aus einem In Extremo-Fanzine 1999)

Wir hingegen hatten ja noch die kurze „Dark Storm“-Tour über Weihnachten vor uns, bei der wir den Headliner-Posten großzügig an die Kollegen von Goethes Erben abtraten. Die freuten sich über so viel unverhoffte Ehre. Sollten sie machen was sie wollten, uns war es völlig egal.

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