Besäufnisse auf Schloss Wäschebeuren – Interview von Frank Keil (Zillo)

6.Kapitel: 2001 – Quo vadis In Extremo?

„Sünder ohne Zügel“ gibt als Titel die musikalische Marschrichtung des neuen In Extremo- Albums vor. Zügellos und haltlos, selbstbewusst und ausschweifend. So war die Stimmung nicht nur bei den Aufnahmen, sondern auch bei einer Feier mit geladenen Journalisten Anfang Juni auf einem Schloss in Wäschebeuren.

Zillo: Schloss Wäschebeuren in Schwaben ist ja eigentlich für eine Band aus Berlin nicht gerade die nächst liegende Anlaufstelle für eine Album-Präsentation. Wie hat sich der Kontakt dorthin ergeben?
D.L.E.: (…) Als Trio hatten wir vor einigen Jahren einmal in der Nähe auf einem Mittelaltermarkt gespielt, da hatte er sich uns vorgestellt und uns eingeladen. Jetzt kennen wir uns fünf Jahre, spielen dort regelmäßig und er hat auch keine Berührungsängste mit der Rockfraktion. Wenn alle Menschen auf der Welt so tolerant wären wie er, dann wäre die Welt wirklich in Ordnung. (…)
Zillo: Sprechen wir zunächst einmal über die aktuelle Besetzung von In Extremo. Hat sich da in letzter Zeit das Line Up verändert?
D.L.E.: Nein, eigentlich nicht. Nur dass „Der Lange“ jetzt seit etwa einem Jahr mit dabei ist. (…) Ich denke, gerade das beständige Zusammenwachsen der Band über die letzten Jahre hinweg ist eines unserer Erfolgsgeheimnisse.
Zillo: Das letzte reguläre Album „Verehrt und Angespien“ erschien 1999 und ebnete dem Mittelalter-Metal endgültig den Weg in die Charts. Danach seid ihr eifrig im In- und Ausland auf Tour gegangen. Wann habt ihr euch ernsthaft Gedanken über neue Titel gemacht?
D.L.E.: Im Winter 2000/ 2001 hatten wir den Kopf wieder frei für neue Aufnahmen. Wir sind am 8.Januar ins Studio gegangen und hatten schon Material fertig, aber viele Stücke sind auch erst dort entstanden. Den einen oder anderen Song hatten wir auf der Weihnachtstour getestet, aber ansonsten setzen wir nach wie vor auf Spontaneität. Die gewohnte Atmosphäre im Vielklang-Studio kommt uns dabei zugute, auch wenn wir das nächste Album definitiv woanders einspielen werden. Das ändert natürlich nichts an unserer freundschaftlichen Beziehung zur Studio-Crew, die nicht nur unser Instrumentarium bestens kennt, sondern auch uns. Da wird man an einem schlechten Tag auch mal nach Hause geschickt und es wird nicht auf Krampf versucht kreativ zu sein.
Zillo: Ist es eigentlich so, dass die gesamte Band über die Aufnahmezeit gemeinsam im Studio verbringt, oder setzen In Extremo bei der Produktion eher auf Arbeitsteilung?
D.L.E.: Während der Produktion hatten wir ein paar Tage echten Stillstand. Da kam der dicke Pymonte von seinem Bauernhof rein und spielte mir auf der Harfe die Melodie der „Merseburger Zaubersprüche“ vor. (…) Es ist also ganz gut, dass wir nicht alle die ganze Zeit gemeinsam im Studio verbringen und wenn es sein muss, sagen wir uns auch mal die Meinung und hauen mit der Faust auf den Tisch. Insgesamt sind wir eine lustige Band mit der Prämisse „mit Freunden Spaß haben“, aber wenn jemand von uns seine Ruhe braucht, wird das natürlich akzeptiert.
Zillo: Vom Mittelalter-Markt kommend, habt ihr euch durch die Kombination mit Rock und Elektronik stärker denn je in die Herzen der Fans und Medien gespielt. Wird es dabei nicht immer schwieriger, Material zu finden und zu schreiben, dass den hohen Ansprüchen gerecht wird? Und wie sieht eure Auswahl konkret aus?
D.L.E.: Man muss dabei zunächst zwischen Text und Musik unterscheiden. Beides kann von uns stammen wie beim Opener „Wind“, dann nehmen wir auch Fremdtexte und bearbeiten das Traditional musikalisch wie bei “Krummavísur“ oder der Text ist ein Traditional und die Musik stammt von uns, was z.B. bei den „Merseburger Zaubersprüchen II“ der Fall ist. (…)
Zillo: Gibt es Traditionals oder Originale, an denen ihr scheitert oder die ihr nach eingehender Prüfung nicht umsetzt?
D.L.E.: Ja klar (…) es gibt immer Material, das dir aufgrund der Historie gefällt, aber es trennt sich manchmal die Spreu vom Weizen. Ab und zu bleibt dann nur noch eine Melodie übrig (…).
Zillo: Neben der textlichen Vielfalt spielt ja auch das umfangreiche Instrumentarium eine Rolle. Inwieweit trägt es zu dem eigenen, unverkennbaren Erscheinungsbild von In Extremo bei?
D.L.E.: Wir wollen ausloten, was machbar ist, Extreme auskosten, aber auch Gegensätzliches zusammenführen. Mittelalter und Metal, Dudelsäcke und Elektronik, traditionelles Liedgut und aktuelle Rockmusik, E-Gitarren oder eben auch „Das Pferd“, eine fast anderthalb Meter breite Rahmentrommel, die im Studio zum Einsatz kam. So kreieren wir unseren einzigartigen Sound, haben Spaß an Außergewöhnlichem, an Experimenten (…). Dafür haben wir uns insgesamt fast sechs Monate Zeit genommen und ich denke, das hört man auch.
Zillo: Ist „Sünder ohne Zügel“ so eine Art Meisterstück der Band geworden?
D.L.E.: Endlich eingezogen, würde ich sagen, und die  Hütte in vollem Glanz ausgeschmückt. Nachdem das Haus mit „Weckt die Toten“ gebaut und mit „Verehrt und Angespien“ das Dach gedeckt wurde. Nein, im Ernst, wir haben ein gutes Gefühl mit dieser Platte und sind echt zufrieden mit der eigenen Weiterentwicklung. Stillstand bedeutet Tod, dieser Aussage können wir uns nur anschließen. (…)
Zillo: Verspürt ihr nach der Fertigstellung von „Sünder ohne Zügel“ einen gewissen Erfolgsdruck? Es ist anzunehmen, dass die Plattenfirma mit einer Top-Ten-Platzierung rechnet, zumal „Verehrt und Angespien“ bis auf Platz 11 rücken konnte.
D.L.E.: Das würde ich mir gar nicht anmaßen, mit einer solchen Chart-Notierung zu rechnen. Es gab ja nie eine Art Hype um In Extremo, wir haben versucht mit dem Erfolg zu wachsen und sind damit bisher immer gut gefahren. Ich bin also sehr vorsichtig und kann nur hoffen, dass die neuen Stücke den Leuten draußen gefallen werden. Und wenn das Album gut einschlägt, sind wir natürlich glücklich darüber. Wenn nicht, werden wir trotzdem eine gute Tournee machen, was anderes bleibt uns ja gar nicht übrig.
Zillo: Wäre es für euch denkbar, nach den Major-Erfahrungen wieder mit einem Indie-Label zusammenzuarbeiten, falls der Vertrag mit Mercury irgendwann nicht verlängert werden sollte?
D.L.E.: Ja, auf jeden Fall. Wir kommen selber aus dem Indie-Lager und haben unsere ersten Platten dort veröffentlicht. In Extremo ist eine äußerst vielfältige Band, wir sind aufgrund unserer Fähigkeiten in der Lage, fast überall zu spielen. Nicht nur Mercury ist das bekannt. Diese interne Haltung ist ja gleichermaßen Energie und Motor unserer Musik. Genauso wie der Zusammenhalt und die Freundschaft innerhalb der Gruppe.
(Frank Keil/ Zillo 9/ 01)

Das „Mind Over Matter“-Festival in Wiesen sollte mit das größte Festival in diesem Jahr für uns werden und mit Biohazard, Moonspell und Soulfly waren auch 3 Bands mit dabei, die wir ohnehin gern einmal gesehen hätten. Bei den darauffolgenden 3 Konzerten, in Ulm, Tuttlingen und auf dem leider total verregneten „Zillo“-Festival in Losheim mussten wir auf Flex verzichten, da er an diesem Wochenende Vater wurde. Okay, das sollte Grund genug sein, dass es mal einen genehmigten „Ausgang“ gab! Es folgten noch Konzerte in Hamburg (mit Apocalyptica), das „Feuertanz Festival“ auf der fränkischen Burg Abenberg, das total verregnete „Woodstage“ in Glauchau (welches nach unserem Auftritt im wahrsten Sinne des Wortes wegfloss) und ein paar kleinere Auftritte, bevor wir wieder unsere traditionellen Akustikkonzerte auf dem Wäscherschloss und der Thüringer Runneburg gaben. Dieses Mal jedoch, damit uns auch der Letzte versteht, mit etwas elektronischer Verstärkung.

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