Aus und vorbei – von Thomas dem Münzer

4.Kapitel: 1999 – Und alles wird ganz anders!

Bei der Herbsttour 1999, als das erste Drittel schon vorbei war, wurde mir aus heiterem Himmel plötzlich übel. Magengrippe. Na prima. Bin sofort zum Arzt. Die Diagnose stand fest. Sie sind Musiker? Na dann ist ja alles klar: Drogen, Alkohol, zu viele Zigaretten, zu wenig Sport. Ich versuchte gar nicht, mich zu verteidigen. Aspirin, Vitamine etc. Doch es wurde immer schlimmer. Mir war laufend schwindelig, ich schwitzte wie ein Schwein, kam kaum noch aus der Koje. Dann flog ich nach Berlin. Diagnose Nummer zwei: Ein unbekannter afrikanischer Grippevirus. Noch mehr Aspirin, Antibiotika. Es wurde noch schlimmer. Ich sah immer weniger, alles verschwamm vor meinen Augen. Als ob jemand das Licht ausgeknipst hatte. Konnte nicht mehr schlafen, nicht lesen, nicht essen. Ich versuchte, mir vor den Kollegen nichts anmerken zu lassen. Wurde belächelt über Unmengen von Tee, die ich in mich hinein trank. Zu der Zeit die einzige Nahrung. Ein weiblicher Fan von IE (an dieser Stelle herzlichen Dank; leider weiß ich ihren Namen nicht mehr) fuhr mich mit ihrem Auto von Hotel zu Hotel, damit ich mich in Ruhe auskurieren konnte. Fehlanzeige.
Mittlerweile konnte ich die Konzerte nur überstehen, wenn ich ein großes Glas von Py‘s geheiligtem Wodka trank. Manchmal musste ich während des Spielens nachtanken. Micha Wegewitzi stand dann hinter der Bühne und hielt die Flasche bereit. Ab jetzt lebte ich nur noch von der Flasche. Abends kam ich aus der Koje, den Soundcheck hatte Heiwi (von Substyle) oder Micha W. inzwischen gemacht, nach dem Konzert ging ich wieder in die Koje. Gelegentlich saß ich manchmal noch bei Pucki am Stand, irgendwie ging es mir bei ihm immer ein bisschen besser. Aber auch das half bald nicht mehr.
Bremen sollte mein letztes Konzert werden. Mehr hätte ich auch nicht verkraftet.
Zwei Wochen später bin ich in eine Klinik eingeliefert worden, Endstation Psychiatrie, Diagnose: Depressionen. Kay und Boris mussten schon während der Tour etwas gespürt haben. Eine Ahnung vielleicht. Sie wollten unbedingt mit mir reden. Zu diesem Zeitpunkt hatte sie wohl noch gedacht ich hätte keinen Bock mehr. Oft glaubte ich, die Band sei schuld an diesem Scheiß. Kompletter Blödsinn, ich hatte einfach keinen Bezug mehr zur Realität. Aus und vorbei.
Zwei Jahre war ich krank.
Und es ist schon ein Scheißgefühl zu wissen, dass man sehr sehr viel verloren hatte. Was bleibt ist die Erinnerung und tiefe, tiefe Traurigkeit.
Mit meiner neuen Band werde ich zwar keine Säle füllen. Aber es ist ein Schritt in die richtige Richtung.

Ich möchte allen Freunden, Fans und der Band danken, die während meiner Krankheit an mich dachten und mich unterstützten.

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