Auf Klassenfahrt oder „Einsam im Nebel“

7.Kapitel: 2002 – Die Lebensbeichte

Ich weiß ja nicht, wie das bei den anderen Bands so läuft, ich kann ja hier nur über die eigene Kapelle schreiben, aber den neuen Mitreisenden zufolge (dieses Mal ist es unser neuer Lichtmann Faren) scheint es bei uns sehr lustig zuzugehen, wenn die 16-köpfige Horde Männer – oder der „Rüdenhaufen“ – (Danke, Pymonte!!!) wieder einmal für eine längere Zeit in den Bus gesperrt wird. (Ferien auf dem Bauernhof, oder was?) Bei anderen Bands sollen ja schon verheißungsvolle Karrieren auf solchen Reisen ihr abruptes Ende gefunden haben, erzählt man sich so… Trotzdem zweifelt meine Freundin jedes Mal an meinem Verstand, wenn ich nach 17 Tagen wieder nach Hause komme und auf die Frage: „Und, wie war´s?“ nur mit einem bedeutungsvollen „Na…, gut!“ antworten kann. Warum kann man nach fast 3 Wochen eigentlich nur mit einem kargen „Na, gut!“ antworten? Eigentlich ist die Erklärung ziemlich einfach: Wenn In Extremo auf Tour gehen, dann geht es da eher zu wie auf der allerletzten Klassenfahrt: Jeder Tag ein neues Erlebnis, heute Schnitzeljagd, morgen Fasching und  übermorgen Stuhltanz. Nur hinterher, wenn dann alles vorbei ist, wenn die „normale Welt“ wieder den Alltag bestimmt – dann kommt der Break: man hängt noch tagelang seinen Gedanken nach, man muss neue Kräfte sammeln oder die verschleppten „Busseuchen“ auskurieren – oder eben alles zusammen. Es ist jedes Mal dasselbe. Hoffentlich wird diese Band niemals erwachsen werden!
Und wie auf jeder Klassenfahrt spielt natürlich auch der Herdentrieb mit seinen Nachahmungseffekten eine große Rolle: Wie von Zauberhand geführt, bildet sich innerhalb kürzester Zeit unter den Businsassen eine Art verschworene Gemeinschaft mit völlig eigenen Gesetzen – ja sogar die Sprache passt sich den neuen Gegebenheiten an und entwickelt streckenweise ein für Außenstehende total unverständliches Eigenleben. Der Psychologe spricht da von „Gruppendynamik“, das klingt ja auch besser. Meine Mutter ist da im Übrigen derselben Meinung, nur drückt sie es anders aus: „Junge, Du bist jetzt Mitte 30, wann wirst Du denn endlich mal erwachsen?“ Ich hoffe nie!
Aber um noch kurz beim Thema zu bleiben hier noch ein kleiner Versuch, die Gruppendynamik etwas bildlicher zu beschreiben: Auf Tour trinkt man natürlich keinen Sekt sondern „Künstlerbrause“, man holt sich kein Bier aus dem Kühlschrank, sondern zündet ein „nulldreiunddreißiger bzw. nullfünfer Glasmantelgeschoss“ und man borgt sich natürlich schon kurz nach der Abfahrt aus Berlin das erste Taschengeld bei unserem Tourbegleiter Dirk – und das wegen „akuter Einkommensvergiftung“! Wo bleibt da der Bildungsauftrag?
Auch bei der kulturellen Untermalung des Ganzen entwickeln sich die Geschehnisse schon recht schnell zu fast schon pathologischen Krankheitsmustern. Waren es bei der letzten Tour eher Filme wie „Wir können auch anders“ und „Stirb langsam“ (Teil 1 bis was weiß ich), die schon mal locker die Schallmauer der 50.Vorführung durchbrachen, so spielte sich auf dieser Tour das Verkaufsvideo der leider schon kurz vor dem Höhepunkt ihrer Karriere verstorbenen Ruhrpott-Kapelle Random ins Herz der Band. Random war die Band des mehr als legendären Nietenpapstes, den Yellow und ich mit seiner neuen Band schon auf der diesjährigen Musikmesse in Frankfurt/ Main bewundern durften. Ein wahrhaft unvergessliches und kaum zu überbietendes Erlebnis, war es doch ein Playbackauftritt, zumal mit dem betrunkensten Gitarristen, den ich jemals gesehen habe – und ich schwöre, ich habe schon eine ganze Menge betrunkene Gitarristen gesehen!
Das war es aber auch schon zum Thema Film, wir kamen einfach nicht dazu, denn dieses Mal sollte alles ganz anders werden! Auf irgendwelchen geheimnisvollen Wegen fand nämlich die neue CD unserer Lieblingsritter von Finisterra den Weg in unseren Tourbus und damit stand das Kulturhighlight und auch das Tourmotto ein für alle Mal fest: „Einsam im Nebel“! Ich schwöre: dieses Lied und auch das Meisterwerk „Babyloooooooooooon“ ließen den CD-Player  heißlaufen!
Eigentlich wollte ich das ja für mich behalten, aber Finisterra haben uns auf dieser Tour so viel Freude bereitet, haben uns so viel Sonne an so manchem trüben und verregneten Tag gespendet und des Nachts für gute Stimmung gesorgt, dass ich an dieser Stelle einfach mal ein riesengroßes „Dankeschön“ im Namen der gesamten Band loswerden muss. Danke, Danke für alles! Aber falls jetzt noch irgendwo ein Handy mit „Babylooooooooooooooooooon“ klingelt, werde ich mir wohl eine Waffe zulegen müssen.
Doch „Einsam im Nebel“ wurde es erst ein paar Tage später, erst einmal ging es am 13.12. nach Hardenberg in die Niederlande, unweit der deutschen Grenze. Nachdem wir gegen Mittag dort angekommen waren, lohnte es sich nicht, den warmen Bus zu verlassen. Doch dieses Mal lag es noch nicht an der Finisterra-CD, sondern es war draußen einfach zu kalt. Das Podium lag außerdem weitab vom Zentrum, also fiel auch ein Sightseeing ins Wasser – oder besser gesagt aufs Eis.  Doch kurze Zeit später kam der Mann mit dem Schlüssel und wir stürzten aufs Catering. Und ich schwöre: Man kann ein ganzes holländisches Toastbrot mit beiden Händen zu einer einzigen Kugel von der Größe eines Tennisballs kneten! Stimmt‘s Pymonte?
Zum Tourbeginn bekam ich von unserem Sänger heute übrigens das Dieter Bohlen- Meisterwerk „Nichts als die Wahrheit“ geschenkt. Was hat das nun wieder zu bedeuten? Muss ich mir Sorgen machen? Und wenn ja um wen? Muss ich jetzt zu Finisterra? (PS: Wochen später beschwerte sich doch tatsächlich jemand auf unserer Seite, warum ausgerechnet wir nun Werbung für das Dieter-Bohlen-Buch machen würden…)
Hardenberg sollte heute unser erstes Konzert nach der Mexiko-Tour werden – und wir standen zum Soundcheck mit Jacken auf der Bühne! Da halfen nur ein paar Amaretto/ Kaffee- Bomben. Puck hatte günstiger Weise direkt an der wunderschönen Bar seinen Merchandising- Stand eröffnet, so dass man das Glas nur in die Höhe und an den Dosierspender heben musste. Wie praktisch! Die Holländer waren mir schon immer sympathisch! Doch würden die auch heute Abend zum Konzert kommen, hier in die Pampa, mitten ins holländische Sibirien?
Sie würden, und zwar alle 320. Wir waren mehr als zufrieden und geil darauf zu spielen, auch auf dieser kleinen Bühne und so völlig ohne Pyrotechnik. Entweder es funktioniert oder eben nicht! An uns sollte es jedenfalls nicht liegen. Wenn ich mich aber an die Blasen an Morgensterns und an meinen Fingern zurückerinnere, dann denke ich, wir hatten einen phantastischen Abend. Irgendetwas bleibt eben immer. Auch unser einziger Karton DVDs war binnen einer halben Stunde verkauft. Was geht denn hier ab?
Dann Finisterra ins Gerät und weiter ging es lustig durch die Nacht des 14.12., rüber ins  belgische Vosselar zum Biebop. „Babylooooooooooooooooooon!“
In Extremo war heute bereits das 3.Mal hier zu Gast, einmal leider ohne mich, da ich im letzten Jahr im Krankenhaus lag. Aber es hatte sich auch seit dem 1. Konzert hier  nichts weiter verändert. Warum auch? Das Klo funktionierte immer noch nicht, der Backstage-Raum im Keller erinnerte immer noch an die Einzelhaftzelle aus dem Film „Papillon“ (na, ihr wisst schon, wo diese Typen ständig versuchen, von dieser Gefängnisinsel auszubrechen…) und das Menü war wieder einmal erlesen: Totes Huhn mit Pommes und viel Majo! Wahlweise auch mit Ketchup. Und für die dreisten Vegetarier standen leckere Vegiburger auf der Karte – beim Anblick dieses Klopses beschloss ich, weiterhin Fleischfresser zu bleiben. Aber wenn mich nicht alles täuscht, dann ist doch Belgien nicht soooooo weit von Frankreich entfernt, dem Land, welches die gute Küche überhaupt erfunden hat!
Aber dafür hat das Publikum heute Abend die Hütte gerockt wie nur sonst was, genau wie die Band. Neue Blasen, neues Glück, was Morgensternchen? Zeig mal deine „Dienstblasen“ fragt der mich anschließend immer! Man macht sich halt Sorgen um seinen kleinen Bruder…
15.12., ´s Hertogenbosch, Willem II: Was für ein Name für eine alte Zigarettenfabrik. Hier waren wir auch schon mal vor 2 Jahren, sogar an Morgensterns Geburtstag. Vielleicht fällt mir deshalb ja die Erinnerung daran so schwer? Wir suchten uns erst mal ein Café – ja, in den Niederlanden soll es auch ganz normale Cafés geben, in denen ganz normaler Kaffee ausgeschenkt wird. Wie langweilig! Unterdessen fuhren mehrere Feuerwehrautos an unserem Fenster vorbei. Und wohin? Genau – ins Willem II natürlich, denn dort brennt es ja gerade, wenn auch 2 Etagen über unserem Saal. Na ja, macht ja nix, wir spielten trotzdem und die Hütte war gerammelt voll. Endlich sind auch mal in der Mehrzahl Holländer da, was uns besonders freut, denn wir würden natürlich gern öfter in diesem Land spielen. Scheinbar stößt unser Wunsch auch auf Gegenliebe… also an uns soll es nicht liegen. Und Brüderchen? Zeig mal deine „Dienstblasen“! Scheiße, mir tun die Finger weh, als wäre ein Sattelschlepper drüber gefahren, dabei waren wir doch gerade erst eine Woche lang im Studio… Vielleicht ist es doch ganz gut, dass wir morgen einen Off Day haben.
Am 16.12. checkten wir im Dortmunder „Hilton“ ein, pünktlich zum Frühstück, wie es sich gehört. Schwarzbrot, na endlich – ich hätte eigentlich nicht gedacht, dass ich an Deutschland irgendetwas vermissen würde… „Hilton“ klingt ja auch besser als es ist, von außen würde dieser Kasten auch gut und gerne nach Ostberlin in die  Neubaugebiete nach Marzahn oder Hohenschönhausen passen oder wohin auch immer. Aber es gab hier eine Sauna und ein Schwimmbad und wir verpassten uns ein paar Schwimmhäute zwischen die Finger, dass es nur so rauchte. Das kann ja morgen heiter werden, schöne weiche Blasen, die nur darauf warten, von harten Basssaiten und hölzernen Trommelstöcken geöffnet zu werden…
Unser Tourbegleiter Dirk hatte für den heutigen Abend die glänzende Idee, nach Gelsenkirchen „Auf Schalke“ zu fahren, wo die deutsche Nationalmannschaft gegen eine Auswahl ausländischer Bundesligastars spielen sollte. Geil! Ich war noch nie auf Schalke, was als Fußballfan ja eigentlich ein Muss ist. Aber als Fan von Union Berlin kann ich wohl noch ein paar Jahre darauf warten, bis die mal in der 1.Bundesliga spielen (wenn Schalke dann noch da ist ). Na gut, fast die ganze Band und ein Großteil der Crew kommen mit zum Spiel (der Rest der Crew, Stiller, El Pumpo und der Fahrer Jochen stoßen dann erst morgen in Münster zur Tour). Standesgemäß wird natürlich „schwarz“ gefahren, ganz wie früher! Unterwegs kamen uns ein paar Manowar-Fans entgegen, das wäre natürlich auch ein Späßchen wert gewesen – Manowar im Ruhrpott, dazu geile Frisuren, wohin das Auge blickt… aber Manowar- ach neeeeeee… Dafür hab ich sie, die Beweisfotos: In Extremo in der Straßenbahn, das glaubt mir doch später kein Mensch mehr – die GANZE Band!!! Mit Busfahrer Carsten!
Dann endlich, nach einem unendlichen Gegurke mit den öffentlichen Verkehrsmitteln durch den halben Ruhrpott, die Arena in Gelsenkirchen. Ich hasse öffentliche Verkehrsmittel, jetzt weiß ich auch wieder warum: Teuer, langsam und man kommt nie dort an, wo man hin möchte. Und das dann auch zur falschen Zeit. Lieber laufe ich kilometerweit, stehe im Stau und höre  dabei Musik oder fahre mit dem Rad…
Aber die Arena entschädigte dann schon für die erlittenen Strapazen, selbst Fußballnichtfachmann Einhorn war begeistert. Das Ergebnis war jetzt schon egal, Hauptsache ein bisschen Spaß… Die Einnahmen des heutigen Abends gingen übrigens an die Flutopfer in Sachsen, aber als ich mir die schwer mit Bierbechern bepackten Trunkenbolde hier so ansah, hätte es auch „Saufen gegen die Flut“ heißen können. Scheißegal, Hauptsache für einen guten Zweck! Als Berliner hat man heute sowieso schlechte Karten: Hartmann und Friedrich von Hertha BSC spielen für Deutschland, die anderen beiden, Kyrali und Marcelinho für die Ausländer. Dann eben ein Prosit auf beide. Dann kommt in der 2. Halbzeit auch noch Piplica, der ausgemusterte Held von Energie Cottbus, dazu und macht das Glück von uns Ostlern vollkommen. Der hat hier in Schalke sogar einen eigenen Fanblock…
1:0, Halbzeitpause, Bier holen. Auftritt: PUR. Das Grauen hat einen Namen! Warum müssen Halbzeitpausen neuerdings eigentlich immer musikalisch umrahmt werden? Das ist doch eine Unsitte des American Football. Und warum gibt es dann trotzdem keine Cheerleader? Wir wollen Cheerleader! (Die singen wenigstens nicht und sehen auch besser aus, besser jedenfalls als dieses Tanzorchester da unten!)
1:1, Ausgleich durch Marcelinho (durch wen denn sonst?), Glanzparaden von Piplica am laufenden Band, 1:2, 2:2- was weiß ich denn, das Bier ist gar nicht so schlecht auf Schalke (Veltins, was?), Deutschland hat irgendwie noch gewonnen, irgendwie bestimmt auch super verdient, wie immer, egal… jetzt bloß mit dem Taxi nach Hause, koste es  was es wolle… Das kostete es dann aber auch, wenn auch eher Nerven – wir hatten die beiden dussligsten Gelsenkirchener Taxifahrer überhaupt erwischt (wahrscheinlich waren die ohnehin nur als Pärchen zu buchen)…
„Du Alter, lass mal kuck´n hier anne Tanke, wegen Weg, weiss ´su…“
(???) „Probier doch mal über Funk ´ne Wegbeschreibung zu bekommen! Zum „Hilton“ – mein Gott! – das kann doch nicht so  schwer sein!“
„Nix Hilton, keiner weiß Hilton, Funk nur gut in Gelsenkirchen, nix Dortmund, weiss ´su!“ (???)
17.12., Münster, Ballhaus: Das Ballhaus befindet sich direkt am Bahnhof, direkter geht es kaum – vom Backstage hat man einen erstklassigen Blick auf Gleis 2 und man hatte das Gefühl, der „eingefahrene Intercity nach Dortmund“ (nicht schon wieder – weiss ´su) fährt direkt über Farens Geburtstagstorte. Man musste sich beim Blick aus dem Fenster sozusagen am Tisch festhalten, um nicht loszufahren.
Geburtstage auf Tour sind jedes Mal peinlich, ständig kommen irgendwelche Unbekannten, wollen einen umarmen und ihr Geburtstagsküsschen und den Spruch „Ey, wie alt biste denn jeworden?“ abliefern – ich habe auch JEDESMAL auf Tour Geburtstag, deshalb habe ich mich heute, sehr zur Freude des etwas schüchternen Farens, mit Glückwünschen zurückgehalten.
Die Crew war heute etwas beleidigt beim Anblick der Lokalität: Klein, verbaut, ohne Nebengelass, dafür 2 Treppen zum Hochtragen, Nieselregen und kein Parkplatz für Bus und LKW in der Nähe. Dafür aber mit Pyroerlaubnis!!! Ich konnte es kaum glauben, auf bayerischen Betonbühnen, weitab vom Stadtgebiet gilt erhöhte Brandgefahr, hier in dieser kleinen Klitsche und fast direkt auf dem Bahnhof konnten wir machen, was wir wollen. Aha! Merke also: Je kleiner, desto Gas!  Und nach dem wiederholten Einlegen der Finisterra-CD baute sich auch die Anlage quasi von ganz alleine auf…
Heute war auch der erste Auftritt unserer Supportband Big Jim, 3 supernetten Typen aus München. Wir nehmen ja immer ganz gern Bands mit auf Tour, die mit dem Mittelalter nicht viel am Hut haben – auch auf die Gefahr hin, unser Publikum zu verschrecken. Uns macht das eben Spaß, verzeiht uns also dieses eine Laster.
Auf die Bühne ging es heute über die Terrasse durch das Fenster. Na Klasse. Lasst uns hier bitte nicht mehr spielen, auch wenn es Spaß gemacht hat (im Alter wird man doch etwas wählerischer, oder?)
In der Nacht zum 18.12. ging es zur factory nach Magdeburg. Endlich mal wieder ein größerer Laden, endlich mal wieder die Verstärker bis zum Anschlag durchreißen… – und endlich mal auch wieder in der Ostzone, die wir ja sonst immer so sträflich vernachlässigen. Doch auf dieser Tour gibt es sogar 4 Konzerte in der „Ehemaligen“. Die Rhythmusgruppe (Morgenstern, van Lange und Lutter) war heute somit von vornherein in Krachmacherlaune! („Los, Basti, der Poti geht bis zur 11!“).
Doch vorher mussten wir noch zum „Media Markt“ zu einer Autogrammstunde. Um 14.00 Uhr!!! Wer hatte denn diese glänzende Idee gehabt? Der Markt lag natürlich kilometerweit von Magdeburg entfernt, direkt an der Autobahn. Was sollte das denn, hierher verirrt sich doch kein Schwein um diese Uhrzeit. Und richtig geraten, bis auf eine Oma und ein paar Fehlgeleitete kamen nur sehr wenig Unterschriftswillige zu unserer Audienz. Dafür hatten wir aber 2 saudämliche Moderatoren vom „Radio SAW“ an der Backe, die uns großkotzig ankündigten und uns mit ihrem geistigen Dünnschiss permanent auf den Wecker gingen. Wer heutzutage alles Radio machen darf… Schade, dass es so früh war, die Band hatte plötzlich schlechte Laune und diese beiden „lustigen Vögel“ gingen haarscharf am „Ohrfeigenbaum“ vorbei. Wenn die gewusst hätten, in welcher Gefahr sie sich streckenweise befanden…
Pyromäßig durften wir heute wieder alles auffahren, was das Herz begehrte, schöner Laden, geile Stimmung- so sollte das immer sein. Da war das Media Markt- Desaster schnell vergessen.
Backstage eröffnete heute kurz vor dem Konzert auch das In Extremo- Frisurenparadies- es gab leider nur ein Modell: den „Iro für Arme“. „Für Arme“ auch deshalb, weil die „Friseure“ nicht gerade auf eine lange Karriere in diesem Beruf zurückblicken konnten. Eigentlich auf überhaupt keine, jeder durfte mal ran und vor allem auch beratend zur Seite stehen. Es musste halt schnell gehen und durfte nix kosten! Pymonte und der Morgenstern entschieden sich trotzdem für dieses schlichte Modell und waren bis zum Ende der Tour mit dem Outfit glücklich und zufrieden.
Heute in Magdeburg stieß auch unsere Merchandiserin Anne (Frau Puck) mit zur Tour, die einzige Frau, die je mit diesem Haufen auf Tour sein durfte. Ich weiß ja nicht, ob das so erstrebenswert ist, man sollte dann wohl schon über einen etwas gefestigteren Charakter verfügen! Aber vielleicht gibt es ja auch Schlimmeres?
19.12. Hamburg, Große Freiheit: Wer hätte denn wirklich ernsthaft daran geglaubt, dass wir diesen Laden irgendwann mal ausverkaufen würden. Ich jedenfalls nicht. Doch der Tag begann erst einmal mit einem ungeheuer verstimmten Big Ben-Imitat, direkt an meinem Ohr. Was war das denn? Also ab in den Laden, wo der Koch schon mit einem exzellenten Frühstück aufwartete. Hier in Hamburg stimmte einfach alles, von der Küche über den fantastischen Saal bis hin zum Publikum. Und ich dachte immer, die Norddeutschen wären stur! Da habe ich mich wohl ein wenig getäuscht… Hamburg wird wohl in meiner ewigen Bestenliste einen Ehrenplatz erhalten!
Beim Wasserflaschenwerfen habe ich heute im Übrigen auch wieder geglänzt, sehr zur Freude meiner Mitmusiker: Treffe ich sonst ja eigentlich nur Mädchen, musste dieses Mal ein Scheinwerfer (!!!) dran glauben… irgendwie ist meine Wurftechnik wohl noch nicht ganz ausgereift. Jugend trainiert für Olympia! Aber vielleicht gibt es ja eine Versicherung, die dieses Risiko künftig übernimmt? Die versichern doch heutzutage jeden Scheiß, oder?
20./21.12., Mannheim, Capitol: Endlich wieder zu Hause! (???) Und dieses Mal sogar für 2 Tage. Doch trotz allem hat uns hier die Feuerwehr immer noch besonders lieb und verbietet selbst das kleinste offene Flämmchen. Doch davon lässt sich ein El Pumpo natürlich nicht abhalten, unser Pyromane begeisterte heute Abend stattdessen mit Luftschlangen! Aus Protest! Übrigens legte er sein Veto gegen seinen neuen mexikanischen  Namen „Los Pumpos“ ein, was natürlich wesentlich cooler klang, oder? Das wäre seiner Meinung nach aber die Mehrzahl von „Pumpe“ gewesen (das ist uns doch völlig egal- seit wann kann man sich denn Spitznamen aussuchen?), aber okay, dann eben „El Pumpo“ – Dein Wunsch ist uns Befehl! Schließlich wollen wir eine glückliche Crew!
Nach der ersten Show ging es dann mal wieder für eine Nacht ins Hotel. Hey, aber was war denn das? Ein Bett was nicht wackelte, geradezu beängstigend! Irgendwas stimmte hier nicht. War das schon der gefürchtete Tourkoller? Kann mal jemand schnarchen? Jetzt kann man schon nicht mehr einschlafen, wenn das Bett nicht wackelt und Carsten sich nicht in die Kurven legt… Ich will mein Ratt- tatatt- tatatt- tatatt- tatatt- tatatt- tatatt- tatatt zurück haben!!! Das Leben auf Tour ist eben erholsam, vor allem aber gesund und entspannend  …
Am 22.12. ging es dann schon mal in Richtung Heimat, zuvor aber noch ein letztes Vorweihnachtskonzert im Werk II in Leipzig. Hier empfing uns leider eine frühmittelalterliche Tontechnik (übrigens zu einem Preis, für den man den ganzen Krempel an anderer Stelle auf dem Gebrauchtmarkt komplett hätte erwerben können) und ein spärliches Catering. Hallo, Aufwachen, wir sind 23 Personen mit der Vorband, in Großbuchstaben DREIUNDZWANZIG!!!
„Einsam im Nebel“ als Soundtrack passte heute wirklich hervorragend zu diesem Scheißtag, dazu ein leichter Schneeregen bei knapp 3 Grad über dem Gefrierpunkt. Was kann es also Schöneres geben?
Es gibt halt so Tage, da müsste man eigentlich konsequenterweise auf der Stelle umdrehen und nach Hause fahren. Wozu werden eigentlich 20-seitige Verträge und Technikrider wochenlang von A nach B geschickt, wenn dann am Konzerttag die Halle voller Sondermüll steht? Wie soll man aus dieser Scheiße in dieser alten Industriehalle einen halbwegs erträglichen Ton zaubern? Unser Tonmann Vadda war stinksauer, wir natürlich auch. Wie man es auch dreht und wendet: Letzten Endes fällt so etwas immer auf die Band zurück, nur was ist schlimmer? Abzureisen oder beschissen zu klingen? Wir hatten wieder mal die Wahl zwischen Pest und Cholera.
Gott sei Dank war das Leipziger Publikum dann kulant und brachte die Hütte und uns noch auf ordentliche Betriebstemperatur. Danke!
Am 25.12. trafen wir uns dickbäuchig im Potsdamer Lindenpark wieder und alle waren irgendwie froh, dem lästigen Weihnachtsrummel für 2002 endgültig entronnen zu sein.
Ach, der Lindenpark- Stätte meiner „goldenen Jugend“ (), auf diesen Abend hatte ich mich fast am meisten gefreut: Wie würde Potsdam jetzt reagieren – sind die Potsdamer immer noch das sturste Publikum der westlichen Hemisphäre? Und sind heute Abend überhaupt Potsdamer anwesend?
Wie oft habe ich hier schon mit den verschiedensten Bands versucht was zu reißen- und immer wieder haben wir jämmerlich versagt! Aber das ging ja nicht nur meinen Bands so- ich habe hier in meiner Heimatstadt auch so einige Abende vor der Bühne verbracht.  Hier konnte spielen, wer wollte: ehe in Potsdam geklatscht wurde musste schon… was weiß ich… irgendetwas Unglaubliches passieren!
Aber die Zeiten ändern sich und der Lindenpark war im Vorfeld mit 900 Weihnachtsunwilligen schon ausverkauft. Da freute sich der Veranstalter ganz besonders über unsere bescheidene Gästeliste mit 97 (!!!) Einträgen. Aber zum Glück hatte heute Abend ja Robert von den Inchtabokatables hier den Hut auf – irgendwas hat ihn wohl nach Potsdam verschlagen…
Und tatsächlich: Wir bekamen Beifall, unglaublichen Beifall (ich glaubte meinen Ohren nicht zu trauen – Hey, lasst Euch gehen, verdammt noch mal!), es gab sogar Zwischenrufe (Hey, Kommunikation in Potsdam – ich glaube es nicht!), schließlich mussten wir sogar ZUGABEN spielen!!! Nicht nur eine oder zwei – nein, ganze DREI (!!!) Stück. Ich sehe es morgen schon als Schlagzeile in der Bild: „Unglaublicher Vorfall – Berliner Band gab 3 Zugaben in brandenburgischer Landeshauptstadt!“ Aber leider ist ja morgen der 2.Weihnachtsfeiertag und die Bild-Zeitung erscheint überhaupt nicht! Und nichts ist älter als die Nachricht von gestern. Schade eigentlich – es wäre so schön gewesen!
Auf nach Bremen ins Pier 2 mit dem schönsten Nightliner-Standplatz weit und breit- direkt am Hafenbecken. Das Pier 2 ist in seiner Größe doch schon ziemlich beeindruckend, zumal wenn man gerade aus dem Lindenpark kommt. 1800 Leute hatten heute Abend genug von Weihnachtsmännern, Gänsebraten und „Stille Nacht, Heilige Nacht“ und wollten lieber In Extremo sehen. So langsam nahm der Zuschauerdurchschnitt unserer Weihnachtstour bedrohliche Ausmaße an- zumindest wurde uns langsam unheimlich zumute. Schließlich kam auch noch unser Tourbegleiter Dirk mit der unglaublichen Nachricht von 3200 vorverkauften Tickets für den morgigen Abend in der Fürther Stadthalle. Aber erst einmal wurde hier der Baum in Brand gesteckt, bevor es nach Bayern (Entschuldigung – nach Franken) ging. Und wenn uns schon Hamburg davon überzeugt hatte, dass der Norden rocken kann, dann hatte diesen Eindruck das Bremer Auditorium mehr als bestätigt.
27.12., Stadthalle Fürth: Hey, der Palast der Republik ist wieder da – willkommen in der DDR! Von wegen, nur im Osten wurden architektonische Verbrechen begangen… Was denn bitteschön sollte an diesem Kasten hier besser sein? Es fehlte eigentlich nur noch die „Gläserne Blume“, ein paar unauffällig herumlungernde Stasischergen und eine weinrote Plüschbestuhlung. Aber wir wollten uns ja keine Gebäude anschauen, wir wollten sie, wenn möglich, zum Kochen bringen. Dafür war dieser Kasten uns dann allemal gut genug. Aber der überall und übereifrig im Weg stehende Hausmeister passte irgendwie zu dieser Einrichtung hier. Einer von der unersetzlichen Sorte. Auch heftigstes Ignorieren unsererseits konnte diesen Typen einfach nicht aus der Ruhe bringen. So ist das mit den Kollegen, die eine lebenslange Festanstellung haben – irgendwie müssen die sich dafür ja auch mal rechtfertigen dürfen.
Heute hatten wir als „very special guest“ Megaherz aus München mit an Bord – aber Jungs, als Spezialgäste (und noch dazu als very Spezialgäste) sagt man eigentlich wenigstens mal „Hallo“, oder watt??? Wir hatten ja nicht gleich Blümchen von euch erwartet… Keine Ahnung, irgendwie sollte das hier deren Abschiedskonzert werden, was weiß ich. Jedenfalls sprach keiner der Musiker mit den anderen auch nur ein Sterbenswörtchen. Ich weiß auch nicht, wie die das vorher so lange miteinander ausgehalten haben. Es ist mir ehrlich gesagt auch Scheißegal! Ich glaube, ich würde lieber angeln gehen, als mit so einer Band auf Tour zu gehen…
Aber das konnte uns natürlich vollkommen Wurst sein. Leider mussten Big Jim dafür heute den Opener spielen, Megaherz haben daraufhin aber noch ganz ordentlich Stoff gegeben, was ich so gar nicht mehr erwartet hatte.
Schon nach unserem 2.Song habe ich es bitter bereut, mir die Jacke angezogen zu haben- jetzt musste ich bis „Merseburger II“ warten um das Ding wieder loszuwerden. Dabei war  ich doch schon am Nachmittag in der Sauna gewesen…
Das Merkwürdigste aber war eigentlich das Konzertende. Nach dem Duschen und Umziehen gehen wir eigentlich immer auf dem schnellsten Weg zum Merchandisingstand, um die eine oder andere Unterschrift zu verteilen. Aber: Es war niemand mehr da! Ich konnte es nicht glauben: 3500 Leute waren innerhalb von 20 Minuten komplett aus der Halle gefegt worden. Aber „Hallo“, wie wäre es denn, wenn sich das Personal der Stadthalle mit so einer Aktion mal bei „Wetten dass…?“ bewirbt?
Anschließend ging es noch mit dem Veranstalter Peter vom Concertbüro Franken auf ein paar „Scheidebecher“ ins Nürnberger Loop. Gingen dem Barkeeper die ersten Caipirinhas auch noch recht schleppend von der Hand, so wurde nach den ersten Zwischenrufen die Schlagzahl der Barbelegschaft deutlichst erhöht. Na bitte, es ging doch! Schließlich waren wir nicht zum Tanzen hier, oder? Kennt jemand eigentlich Musiker die tanzen??? Und noch eines ist mir hier in diesem Gothic-Ambiente aufgefallen: Am beschissensten und unpassendsten sehen eigentlich immer die Herren Musiker aus und wären wir nicht In Extremo gewesen, dann wären wir hier mit Sicherheit nicht mal durch die Gesichts- und Klamottenkontrolle gekommen. Hier trug keiner weiter blaue Wollsocken zu 5-Mark-Badelatschen vom Kaufhof-Wühltisch … Heute Nacht warteten nur schlappe 200 km „einsam im Nebel“ bis Ulm auf uns…
28.12., Ulm, Roxy: Ans Ulmer Roxy habe ich gute und schlechte Erinnerungen. Zum einen hatten wir hier mal mit fast 1100 Zuschauern unseren ersten Zuschauerrekord, zum anderen wurde hier auf der ersten Tour unser damaliger Gitarrist Thomas krank, dieser Tag damals irgendwie sein Ende bei In Extremo ein… und das letzte Mal konnte ich nicht mit dabei sein, weil ich gerade eine Operation im Krankenhaus hinter mir hatte. Bloß jetzt nicht, passend zum Scheißwetter, depressiv werden.
Das Roxy war heute schon vor dem Konzert ausverkauft. Ich weiß noch, wie Micha damals kurz vor dem ersten Konzert zu mir sagte: „Wow, in so einer großen Halle sollen wir spielen?“. Heute kam mir das Roxy dagegen eher klein vor und ich konnte mir nicht vorstellen, dass man so viele Leute hier hineinstopfen wollte.
Es wurde ziemlich eng und heiß, dagegen war das gestrige Konzert in Fürth ja ein Nachmittag im Kindergarten! Nach den ersten Songs riefen auch schon die ersten Leute nach Wasser und unsere Crew ramschte derweil hinter der Bühne alles zusammen, was in der Kürze zu finden war. Und auch ich verletzte heute niemanden ernsthaft mit meinen Wurfversuchen… Ich kann mich an nicht viele Konzerte erinnern, auf denen es so heiß war- nur einmal in der alten Spinnerei in Glauchau, da hatte sich sogar mein Verstärker verabschiedet. Aber hier drin gab es sogar eine Lüftung. Trotzdem wurde für mich das Ulmer Konzert zum Schönsten der ganzen Tour. Was sollte jetzt noch kommen???
29.12., Düsseldorf, Stahlwerk: Ich folge den Schildern „Zum Backstage“ mit meiner fiesen, tonnenschweren Tasche, als mich auf halber Treppe ein mehr als übler Verwesungsgeruch trifft. Vor Jahren schimmelte mal ein Selbstmörder einen Sommer lang im Hinterhof  der Wohnung meines Bruders, diesen Geruch vergisst man nie. Bin ich nun im Düsseldorfer Leichenschauhaus gelandet? Nee, immer noch zeigen die Pfeile in Richtung „Backstage!“. Ich ahne Schlimmes und mit dem Öffnen der Backstagetür verschlägt es mir echt den Atmen: Die Kollegen Frühaufsteher trocknen ihre nassen Kostüme auf der Heizung, das ist alles. Ich hätte nie gedacht, dass nasses Leder so übel stinken kann…
Auch das Stahlwerk, diese alte Schepperhöhle, ist schon ausverkauft! Normal ist das nicht in diesem Jahr. Das muss ja Liebe sein!?!
Draußen aber pisst es in Strömen und seit einer halben Stunde ist bereits Einlass. Ich stehe am Fenster und beobachte die Schlange – es bewegt sich gar nichts, keinen Zentimeter, weder vor noch zurück. Sind die hier bescheuert, warum dürfen die Leute nicht ins Trockene? Warum heute diese pingeligen Leibesvisitationen? Ein paar bekannte Gesichter schleuse ich durch den Backstage-Eingang, mehr kann ich leider auch nicht machen.
Das Stahlwerk ist mit 2400 Leuten rappelvoll und durch die nassen Klamotten stinkt es hier drin wie im Zoo (oder wie in unserem Backstage – Danke, Pymonte!). Ich sehe mir noch eine Weile Big Jim vom Saal aus an und sehe, wie unsere Vorband ins Schwitzen kommt. Die Temperaturen auf der Bühne haben jetzt schon Saunacharakter.
Ich hasse solche vollen Konzerte auch wenn ich in Berlin weggehe… genau wie neulich bei  den Queens Of The Stone Age in der Berliner Columbiahalle. Irgendwann ist der Punkt erreicht, an dem es nur noch anstrengend ist. Aber was sollen wir machen? Alle Konzerte 2x buchen wie in Mannheim? Es ist zumindest eine Überlegung wert, denn ich glaube, die meisten In Extremo-Mitglieder spielen lieber in Läden wie der Großen Freiheit oder dem Capitol als in diesen unpersönlichen Stadthallen. Aber niemand kann wirklich sagen, wohin die Reise geht…
Hitze- und stimmungsmäßig kann das Düsseldorf-Konzert locker mit Ulm mithalten, aber ich habe trotzdem irgendwie ein ungutes Gefühl, was ich an den nächsten Tagen durch die Gästebucheinträge bestätigt finde. Zu einem wirklich gutem Konzert gehört eben neben der Band auch das ganze Drumherum einer Veranstaltung… okay, wir haben es registriert, dass hier organisationsmäßig einiges schief lief. Leider liegen aber einige Sachen außerhalb unseres Einflussbereiches.
30.12., Altes Schloss, Behringen: Willkommen in der tiefsten Thüringer Pampa, willkommen in der DDR! Ist dieser Ort eigentlich auf Landkarten verzeichnet? Ja, wurde dieses Gebiet denn überhaupt schon mal vermessen? Aber hallo, genauso sahen die Läden aus, in denen wir früher mit Freygang und Noah gastieren durften- nur die Biersorte wurde inzwischen gewechselt. „Gestern noch an der reich gedeckten Tafel des Fürsten Dickwanst und seiner fetten Gemahlin, doch heute schon, über Moor, Mist und Kuhscheiße…“ – ach, lassen wir das… Wir werden heute ein schönes Abschlusskonzert hinlegen, bevor wir dann Fünfe gerade sein lassen werden. Schade eigentlich, ich hätte bestimmt noch eine Woche durchgehalten – man hatte sich gerade an diese ewige Dauerdunkelheit und das ständige Neonlicht gewöhnt, an die unregelmäßige Nahrungsaufnahme und den ständigen Flüssigkeitsverlust (und natürlich dessen Regulierung!). Kaum losgefahren, ist nun auch schon wieder Schluss…
Das letzte Konzert ist ja meist das der Überraschungen, jedenfalls für die jeweils gerade auf der Bühne stehenden Band. So konnte El Pumpo heute seine Restbestände an Pyromaterial bei Big Jim an den wirklich unpassendsten Stellen versprengen, während uns unsere „Kollegen von der Vorband“ bei „This Corrosion“ im Röckchen am Mikro unterstützten. Den besten Platz des Abends hatte, neben den Musikern natürlich, heute zweifellos mein Sohn Robert, der wahlweise auf den beiden Treppen der Hinterbühne sitzen konnte und so den absoluten Überblick hatte (währenddessen sich sein Vater um Anerkennung mühte, was ???). Zur „Strafe“ wurde er mit zur Wasserversorgung des Publikums eingesetzt, musste sich anschließend mit der Band verbeugen (und durfte nach Konzertschluss auch seine ersten Autogramme geben).
Das war sie also, die Weihnachtstour 2002, die erfolgreichste Tour, die wir als In Extremo jemals machen durften. Ich möchte mich hier, auch im Namen der ganzen Band, nochmals bei Euch bedanken – wir wissen natürlich, wem wir unseren Erfolg zu verdanken haben…
So, fast zum Schluss will ich noch einmal ganz zum Anfang zurückkehren und Euch eine nette Mail nicht vorenthalten, die wir heute von einem Mädchen aus Magdeburg erhalten haben. Sie wäre schon völlig verzweifelt, weil Ihr bisher niemand sagen konnte, wie denn das wunderschöne Lied hieße, welches unser Tontechniker Vadda stundenlang (übrigens sehr zur Freude des Personals…) unter Einsatz der Repeat-Taste (und unter Einsatz seines Lebens) zum Einlass aufgelegt hatte. Und? Muss ich dazu was sagen? Genau, es war natürlich – ich wage es kaum auszusprechen-  „E-I-N-S-A-M-I-M-N-E-B-E-L“(!!!) Wenn das Finisterra wüssten…
So, ganz zum Schluss möchte ich Euch noch die Insassen des „unseriös wirkenden, weißen Busses“ vorstellen (Danke, Nora van Rijn!!!), damit ihr wisst, um wen es hier die ganze Zeit eigentlich ging. Die Reihenfolge ist zufällig, ich schwöre:

•    El Pumpo (Sprengmeister, ansonsten nebenberuflich unter dem Namen „Angelo“ bei der Kelly-Family zu finden)
•    Die beiden A´s Anne und Andre (besser bekannt als „Herr und Frau Puck“, zuständig für den Verkauf von allem, was nicht niet- und nagelfest ist)
•    Carsten (unser Bandbusfahrer, dem wir täglich unser Leben verdanken! Warum hat der eigentlich noch keinen mittelalterlichen Künstlernamen – wir bitten um Vorschläge!)
•    Vadda (eigentlich Tonmann, nun aber zum Mr. „Einsam im Nebel“ ernannt. Wer Klingeltöne und  Remixe sucht – oder wer nur einfach über sein Problem reden möchte, bitte direkt kontaktieren)
•    Faren (unser neuer Scheinwerfer – Achtung: feiert natürlich von nun an auf jeder unserer Weihnachtstouren seinen Geburtstag!!!)
•    Michi Michi Wegewitzi (Backliner1: vorlaut, faul, licht- und arbeitsscheu und deshalb natürlich von Anfang an bei In Extremo )
•    Der Stiller (Backliner 2, aber das ganze Gegenteil von Backliner 1: mitdenkend, arbeitsam, bescheiden, stark und schweigsam. Ab und zu der Zigarettenautomat  der Band)
•    Tino Sowada (Monitormann: eyyyyyyyyy, ick weeß och nich, ick kann janich mehr schlafen – ja, Tino, könnte ick och nich nach 15 Red Bull – ansonsten trotz 5 Jahren In Extremo auch immer noch ohne Künstlernamen!)
•    Der tätowierte Jochen (nur Mitgliedschaft auf Zeit, „Lohnkutscher“, fuhr den LKW tatsächlich wohin wir wollten)
•    Dr. Pymonte (Schafzüchter, Computerspezialist, Frisuren- und Bartwunder)
•    Flex der Biegsame (Turner)
•    Yellow Pfeiffer (Schwedenspezialist, auch Bartwunder)
•    Van Lange (Hollandspezialist, Wundergitarrist)
•    Das Letzte Einhorn (Gebrauchtwagenhändler)
•    Der Morgenstern (trommelstockwerfendes Frisurenwunder)
•    und meine Wenigkeit (ich werde mich hüten!!!)

So, jetzt reicht es aber wirklich… Bis zum nächsten Mal, Lutter
(aus dem Tourtagebuch 2002)

Das war sie also, die Weihnachtstour 2002. Doch zum Schluss möchte ich euch noch etwas an unseren Vorbereitungen teilhaben lassen – damit ihr mal seht, wie lustig es manchmal dabei zugeht, wenn El Pumpo, unser Sprengmeister, die Pyrotechnik anmelden will. Dabei gibt es regelmäßig Stress und das ganz besonders im Süden Deutschlands. In diesem speziellen Falle wurde der Schwierigkeitsgrad des Anmelde-Procedere allerdings noch um einiges erhöht, da es sich um das Mannheimer Capitol handelte – ja genau – um eben jenes Mannheimer Capitol! Doch lest selbst, was der „Fachbereich Sicherheit und Ordnung der Stadt Mannheim für Befürchtungen hat:

„…aufgrund des Antrages vom 4.12.2002 ergeht hiermit nach § 23 Abs. 4 der 1. Verordnung zum SprengG und Nr. 2.5 der Verordnung der Landesregierung und des Ministeriums für Umwelt und Verkehr über Zuständigkeiten nach dem SprengG (SprengGZuVO) in den jeweils gültigen Fassungen i.V.m. § 80 Abs. 2 Nr. 4 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) folgende Verfügung: Das Abbrennen der mit Fax vom 04.12.2002 beantragten pyrotechnischen Effekte und die Verwendung von Effekten mit offenem Feuer (Verwendung von Nitrocellulosematerialien, Brandgelee, Petroleum zum Feuerschlucken sowie Propangas) beim Konzert der Gruppe „IN EXTREMO“, auf der Bühne des „Capitol“, in 68169 Mannheim, Waldhofstraße 2, am 20. und 21.12.2002 wird aus brandschutztechnischer Sicht untersagt. (…) Begründung: (…) Am 10.4.2002 wurde vom Fachbereich Baurecht und Umweltschutz der Stadt Mannheim sowie der Berufsfeuerwehr Mannheim eine brandschutztechnische Begehung in der Versammlungsstätte „Capitol“ durchgeführt und eine Mängelliste erstellt. Unter Mängelpunkt MD 504 wurde gefordert, dass der Hohlraum der Szenefläche entsprechend § 18 der Versammlungsstättenverordnung durch Anbringen von nichtbrennbaren Platten gegen den Zuschauerraum abzutrennen ist. Die Verwendung von pyrotechnischen Gegenständen wurde bis zur vollständigen Behebung des o.g. Mangels untersagt. (…) Nach vorliegender Stellungnahme der für den Brandschutz zuständigen Berufsfeuerwehr Mannheim vom 11.12.2002 sind die mit Fax vom 04.12.2002 beantragten pyrotechnischen Effekte und die Verwendung von offenem Feuer mit Propangas, Petroleum zum Feuerspucken usw. aus brandschutztechnischer Sicht abzulehnen. Die geplanten Effekte mit offenem Feuer sind darüber hinaus, begründet durch die Enge und Beschaffenheit der Bühne sowie des Versammlungsraumes im „Capitol“, nur begrenzt möglich. Nachdem es bereits bei vorangegangenen Konzerten dieser Gruppe zu schweren Zwischenfällen beim Feuerspeien des Sängers kam, ist die Untersagung auch der Effekte mit offenem Feuer das einzige Mittel, um Leben, Gesundheit und Sachgüter bei der Veranstaltung zu schützen. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung ist geboten, um die Besucher/innen und Mitwirkenden vor möglichen Gesundheits- und Lebensgefahren zu schützen. Diese Rechtsgüter sind höher einzustufen als ihr Interesse am Abbrennen der pyrotechnischen Effekte, Effekte mit offenem Feuer und Feuerschlucken und dem daraus erzielenden wirtschaftlichen Gewinn. (…)“

Die „Enge und Beschaffenheit der Bühne“?, „MD 504“?, „Versammlungsraum“? Dieses ganze Buchstaben-, Paragraphen- und Verordnungswirrwarr kostete uns schließlich ganz genau 23,01 € („Die Festsetzung der Gebühr beruht auf § 1 der Kostenverordnung zum Sprengstoffgesetz i.V.m. Abschnitt III Nr.3 des Gebührenverzeichnisses.“)

Die Wege  des Herrn sind manchmal unergründlich…

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