Die andere Sicht – von Thomas dem Münzer

2. Kapitel: 1995 – 1997: In Ewigkeit: A -Moll

Zu jener Zeit ging es mit meiner Musikerkarriere stetig bergab. Ich hatte mich in mehreren Bands als Sänger versucht, leider nur mit mäßigem Erfolg. Meine Stimme passte nicht in die Zeit und die Zeit passte nicht zu meiner Stimme. Lou Reed gab es schon und alles was gesucht wurde, spielte sich stimmlich im Eunuchenbereich ab. Also keine Chance für Mittelmaß. Gitarristen gab es wie Sand am Meer und Sänger mussten kreischen können. Was nun? Sollte der Alltag in der Schule meine Bestimmung sein oder gab es für „später“ noch etwas Anderes.
Also auf zu neuen Zielen.
Ich fand Anschluss an eine Blues Cover Band und dudelte die altbekannten Tonleitern (keine unter 10 Minuten), als Micha aus Leinefelde als neuer Sänger zu uns kam und zu meiner Gitarre sang.
Super Stimme, alles toll, ich war begeistert. Doch wurde bald klar (etwa nach 30 Sekunden), dass wir beide auf anderen Welten zu Hause waren. Wenn ich schwankend im Klo versuchte, den Dreck vom Klorand zu pinkeln und lallend auf Micha zu torkelte, dann endlich waren wir wieder Freunde. Das hieß im Klartext: Zu jener Zeit konnte der eine den anderen nur ertragen, wenn man sich mit reichlich Alkohol ein Grinsen ins Gesicht gesoffen hatte. Es war nur eine Frage der Zeit, wann es mal wieder einmal zu Ende sein würde.
Doch neue Gitarristen kamen und gingen. Ich blieb.
Wir näherten uns und bald konnten wir uns hin und wieder vernünftig unterhalten, natürlich nicht, ohne uns vorher zum x-ten Male wieder vertragen zu haben.
Dann wurde Joe der Bassist krank und Kay von Freygang kam eben mal vorbei und spielte. Und wie. Das war mein erstes Konzert mit Kay. Gitarrist und Sänger waren sich ausnahmsweise mal einig, gerade mit dem weltbesten Basser zusammen gespielt zu haben. Unvergesslich und im Westen! Denn dieses Konzert war das erste in Westberlin, im Olof  Palme-Zentrum; übrigens der erste Proberaum von IE, sieben Jahre später.
Ein etwas korpulenter junger Mann saß hinter seinem Schlagzeug und prügelte seiner Snare gerade den Verstand heraus. Ich war dermaßen perplex und habe überhaupt nicht verstanden, wie man mit so wenig Schlagzeug so gut spielen konnte. Micha und ich waren beim Konzert von TTO und der Trommler hieß… Reiner Morgenroth.
Und dann waren sie wieder da unsere Visionen von neuem Glück. „Mensch Mund“, so sprach mich Micha immer liebevoll an „stell dir mal vor, die Beeden (Kay und Rainer) bei uns …! Weise gesprochen.
Noah bekam bald zwei neue Gesichter: Kay und Reiner. Gleich wehte ein anderer Wind. Es war vorbei mit banalen Tonleitern. Das bekam auch unser Gitarrist Hendrik zu spüren. Er musste gehen. Ich blieb.
Wir marschierten vorwärts. Kay, Reiner, Micha und ich. Volle Säle, viel Spaß, viel Suff und jede Menge Rock’n’Roll.
Dann der Schock: Bassist und Trommler verabschiedeten sich eines Tages höflich von uns. Sie hatten andere Pläne. Leider nicht mit uns. Ich habe zu spät erkannt, dass Kay mehr wollte, habe mich einlullen lassen und war wenig konstruktiv. Ein Schlag in die Fresse. Dass saß.
Fürs erste hatten wir gute Freunde verloren. Kay und Reiner gingen. Ich blieb.
Eine neue Besetzung täuschte auch nicht darüber hinweg, dass die Tage von Noah gezählt waren. Der Dampf war raus.
Micha fand sein Seelenheil im Mittelalter, Kay und Reiner probten bei TTO und ich verfiel in Lethargie und fand die Stones schau.
Eines Tages stand Micha mit Brandan vorm Proberaum und fand, dass es an der Zeit wäre, wieder frischen Wind in die Band zu bringen. (Er änderte mittlerweile einmal wöchentlich seine Frisur und Haarfarbe). Ein Stück aus dem Mittelalter mal hier und da zwischen den Nummern von Doors und Straßenjungs würde sehr gut passen und überhaupt.
Es passte. So entstand die Idee, zwei Noah-Stücke mittelalterlich zu zelebrieren. Brandan, Willi und Teufel standen im Franz mit auf der Bühne. Die Fans fanden es gut, ich war euphorisiert, unsere neue Rhythmusgruppe (Keks und Dirk Schulz) nicht. Sie gingen bald. Ich blieb.
Nach diesem Konzert begann ich mich öfter mit Brandan zu treffen. Auch in ihm reifte die Idee, alte Melodien mit modernen Sounds zu verbinden.
Wir gingen später verschiedene Wege.
Kay und Reiner kamen zu uns zurück. Hurra!  Wir wollten neu beginnen. Die alte Kiste; mit Dudelsäcken und so. Micha und ich schwatzten mehrere Wochen „kurz“ über das Problem. Noch ein paar tausend Telefonate, dann entstand „Ai vis lo lop“. Wenig später IN EXTREMO.

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